Voten von Actares an der Syngenta-GV
Votum 1 zum Geschäftsbericht 2015
Sehr geehrter Herr Präsident
Sehr geehrte Damen und Herren
Mein Name ist Richard Bisig. Ich bin Vorstandsmitglied von Actares, Aktionärinnen und Aktionäre für nachhaltiges Wirtschaften. Ich spreche hier im Namen von rund 1300 Mitgliedern.
Die diesjährige Generalversammlung ist eine besondere, denn wir gehen davon aus, dass Syngenta an ChemChina verkauft wird. Deshalb wenden wir uns ausnahmsweise mit unseren Anliegen nicht an den hier anwesenden Verwaltungsrat, sondern an den zukünftigen Käufer, vertreten durch deren Präsidenten, Herr Ren Jianxin, der hier ebenfalls anwesend ist. Ich erwarte allerdings nicht, dass er meine Fragen heute spontan beantwortet. Ich würde es aber als kulante Geste werten, wenn er uns die Fragen im Nachhinein schriftlich beantworten würde.
Ein chinesischer Staatskonzern muss sich nicht nur auf den Finanz- und Absatzmärkten profilieren. Eine längerfristige Perspektive wird für ihn ein Muss sein. In China gibt es Mehrjahrespläne und nicht die von ungeduldigen Investoren geförderte Ausrichtung auf die Quartals- und Jahresabschlüsse. In vielen Gegenden Chinas ist die Belastung von Luft, Wasser und Boden so gross, dass sich Staatskonzerne weitere ökologische Sünden nicht leisten können. Wir sind aber nicht blauäugig und wissen: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. Deshalb ist es gut, dass es nicht nur eine Globalisierung bei den Konzernen gibt, sondern auch bei den zivilgesellschaftlichen Bewegungen, welche sich für mehr soziale und ökologische Verantwortung engagieren.
Aus dem Selbstverständnis von Actares, sich für eine nachhaltige Entwicklung einzusetzen, ergeben sich deshalb folgende Fragen an den zukünftigen chinesischen Käufer:
- Sind Sie bereit, in Ihrem neu gekauften Konzern ein Nachhaltigkeitsmanagement einzuführen und beispielsweise zu messen, wie viel CO2 Sie pro Tonne produziertes Saatgut und pro Tonne produziertes Pestizid verursachen?
- Sind Sie auch bereit, über Ihr Nachhaltigkeitsmanagement Ihre Mitarbeitenden und die Öffentlichkeit jährlich zu informieren?
- Dass ein gewinnorientierter Konzern über Marktanteile und Renditen berichten muss, liegt auf der Hand. Ebenso wichtig ist eine hohe Kundenzufriedenheit. Syngenta nimmt für sich in Anspruch, sie verhelfe den Kleinbauern, ihren Kunden, zu einer besseren Existenz. Sind sie bereit, über die Zufriedenheit ihrer zukünftigen Kunden Befragungen durchzuführen und die Ergebnisse auch zu veröffentlichen?
- Was ist notwendig, um die Fruchtbarkeit der Böden langfristig zu erhalten?
- Im vorliegenden Jahresbericht steht unter dem Titel „Technologie zu den Kleinbauern bringen“, dass sie den Kleinbauern diesen Zugang erleichtern wollen. Wir gehen da-von aus, dies werde auch ihre Zielsetzung sein und deshalb unsere Frage an Sie: Wie wollen Sie den Kleinbauern den Zugang zu neuer Technologie erleichtern?
- Wie werden Sie es halten mit dem Verkauf des hochtoxischen Paraquats? Wie sie wissen, ist es schwierig, den zahllosen Kleinbauern, vielfach Analphabeten, klarzumachen, dass sie sich beim Einsatz dieses giftigen Pestizids adäquat schützen müssen. Müssten sie in Anbetracht des in den entwickelten Ländern verboten Pestizids den Verkauf dieses Pestizids nicht weltweit einstellen?
Zum Schluss aber doch noch zwei Fragen an den hier anwesenden Verwaltungsrat:
- Wie sie wissen, Herr Demaré, wurde ein Moratorium für den Verkauf von drei Neonicotinoiden erlassen, weil diese für das Bienensterben mitverantwortlich sein sollen. Syngenta ist mit seinem Thiamethoxam direkt betroffen. Vor rund drei Wochen ging durch die Tagespresse das Bild einer chinesischen Bäuerin, die von Hand Blüten bestäubte – vielleicht weil es keine Bienen mehr gab oder weil sie den Bienen nicht in deren Bestäuber-Qualitäten traute. Wird nach der Übernahme durch ChemChina dies die neue Taktik sein und kann dies so interpretiert werden, dass ChemChina gar nicht abwartet bis der letzte wissenschaftliche Beweis der Schädlichkeit von Thiamethoxam erbracht ist? Wenn dies nicht zutreffen sollte, dann ergibt sich folgende konkrete Frage: Da wissenschaftlich die Frage der Schädlichkeit noch nicht 100 Prozent geklärt ist, frage ich Sie, Herr Präsident, was Sie dazu beitragen, dass diese Frage endgültig geklärt wird?
- Zur Syngenta Foundation möchte ich Sie Folgendes fragen: Wie sieht die Zukunft der Syngenta Foundation aus nach einem allfälligen Verkauf von Syngenta an ChemChina?
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und für Ihre Antworten.
(Votant: Richard Bisig, Vorstandsmitglied von Actares)
Votum 2 zum Good Growth Plan
Sehr geehrte Damen und Herren
Ich heisse Christoph Rüegg und bin Mitglied von Actares. Ich vertrete ebenfalls die Aktionärsvereinigung Actares.
„Syngenta ist ein führendes Agrarunternehmen, das zur Verbesserung der Nahrungssicherheit weltweit beiträgt. Wir ermöglichen es Millionen von Landwirten, die ihnen zur Verfügung stehenden Ressourcen besser zu nutzen. ...“ Diese Sätze stammen nicht von mir, sondern stehen im Schlussabschnitt jeder Mitteilung von Syngenta. Aber stimmen sie auch wirklich und vor allem, werden Sie auch langfristig zutreffen und somit auch für die langfristige Zukunft von Syngenta selber zutreffen?
Wir von Actares anerkennen die Anstrengungen, welche Syngenta mit dem Good Growth Plan unternimmt. Der Good Growth Plan ist ein Schritt in die richtige Richtung. Er darf aber nicht ein Lippenbekenntnis sein, sondern muss eine grundlegende Änderung des Geschäftsmodells von Syngenta einleiten. Nur dann kann es ein wichtiger Beitrag zur Bekämpfung des weltweit leider immer noch stark verbreiteten Hungers sein. Ich befürchte aber, dass der Good Growth Plan doch nur ein Lippenbekenntnis ist - dies weil beispielsweise Syngenta kurz vor Abschluss des Weltagrarberichts aus dessen Erarbeitung ausgestiegen ist. In diesem UNO-Bericht sind viele Schritte zu einer wirklich nachhaltigen Landwirtschaft aufgezeigt worden, Er fordert insbesondere die Umstellung von riesigen Monokulturen auf eine kleinräumige Landwirtschaft zum Nutzen der ganzen Bevölkerung, also auch der Ärmsten. Nur so kann langfristig der Hunger beseitigt werden.
Syngenta braucht aus diesen Gründen eine neue Vision: sie muss in folgende Richtung gehen: Weg von Produktion und Verkauf teils hochgiftiger Pestizide zur Ausbringung auf Monokulturen – dem heutigen Hauptstandbein von Syngenta – hin zu einer Firma, welche wissenschaftsbasierte Dienstleistungen anbietet, Diese sollen den Landwirten helfen, dass sie Pflanzen für die Lebensmittelgewinnung anbauen können, welche den lokalen Gegebenheiten angepasst sind, und zwar sowohl hinsichtlich klimatische Bedingungen, hinsichtlich Art und Beschaffenheit der Böden usw., aber auch hinsichtlich sozioökonomische Bedingungen.
Das gegenwärtige Geschäftsmodell liesse sich sicher noch einige Jahre mit einigem finanziellen Erfolg weiterführen. Syngenta sollte sich aber für die Zeit rüsten, wenn diesem Modell der Boden entzogen wird. Ich erinnere Sie daran, dass auch in anderen Wirtschaftsbereichen, insbesondere in der Energiewirtschaft grosse Konzerne Gefahr laufen, grosse Verluste einzufahren und gar unterzugehen. Dies, weil die Gefahren durch die Erderwärmung wegen des Ausstosses von Klimagasen endlich ernst genommen werden und das Verbrennen fossiler Energieträger massiv einschränkt werden wird.
Eine solche Umstellung auf ein neues Geschäftsmodell braucht natürlich Zeit. Das Commitment dazu kann aber sofort erfolgen. Ein weitsichtiger und innovativer Verwaltungsrat oder ChemChina als möglicher künftiger Besitzer sollten sich frühzeitig auf ein analoges Szenario vorbereiten und besser heute als erst in fünf oder zehn Jahren das Geschäftsmodell auf eine neue Basis stellen. Dies nicht nur im Interesse des heute noch hungernden Teiles der Weltbevölkerung, sondern auch im eigenen langfristigen Interesse. In diesem Sinn schliesse ich mit zwei Fragen an den Präsidenten, die zweite auch an die künftigen Eigentümer (wir gehen davon aus, dass die Übernahme durch ChemChina zustande kommt und heute die letzte Generalversammlung von Syngenta in diesem Rahmen stattfindet):
- Weshalb hat sich Syngenta kurz vor Abschluss der Erarbeitung des Weltagrarberichts zurückgezogen und diesen nicht mehr mitgetragen?
- Sind Sie bereit, Ihr Geschäftsmodell auf eine wirklich nachhaltige Landwirtschaft auszurichten und alles zu unterlassen, was die Verbreitung von Monokulturen oder das Aufkaufen von gutem Landwirtschaftsland durch Finanzkonzerne fördert, von Landwirtschaftsland, das dann als Grundlage für die Ernährung der lokalen Bevölkerung fehlt?
Vielen Dank für Ihre Antworten.
(Votant: Christoph Rüegg, Mitglied von Actares.)