Votum von Actares an der Roche-GV 2019
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren Verwaltungsräte, sehr geehrte Anwesende
Mein Name ist Veronika Hendry. Ich bin Präsidentin von Actares, dem Aktionariat für nachhaltiges und sozialverträgliches Wirtschaften.
Actares erarbeitet Abstimmungsempfehlungen für seine Mitglieder und vertritt deren Stimmrechte und Anliegen an den Jahresversammlungen wie hier und heute bei Roche.
Wie bei allen grösseren Unternehmen, wendet sich Actares im Vorfeld der Generalversammlungen in einem längeren Schreiben mit mehreren Fragen an die Unternehmungen, so auch an Roche. Wir haben dazu ausführliche Antworten erhalten. Vielen Dank!
Eines unserer Themen betrifft die Unsicherheiten beim Abwassermanagement von Zulieferfirmen in Indien und insbesondere in China. Nicht immer werden dort Abwässer so entsorgt, wie westliche Firmen wie Roche dies verlangen. Einer der Fälle, über die wir Auskunft verlangten, war Roche bereits bekannt. Roche hat offenbar Massnahmen ergriffen, damit die Ausbildung der verantwortlichen Mitarbeiter und die Kontrollen verbessert werden.
Actares wird Umweltprobleme, verursacht durch chinesische und indische Zulieferfirmen weiter genau verfolgen.
Solche Berichte erschüttern das Vertrauen der Patientinnen und Patienten in die Produkte von Produzenten wie Roche. Und ebenso wichtig: Die Menschen in Ländern wie Indien und China dürfen nicht Opfer von der Auslagerung westlicher Pharmafirmen in günstigere Produktionsstätten werden. Sie haben das Recht auf gleichen Schutz ihrer Wasserversorgung wie wir in der Schweiz.
Actares hofft, dass Roche ihre Verantwortung wahrnimmt und die Schulung und Kontrolle fortsetzt oder gar intensiviert.
Nun zu einem Thema, das nicht nur die Bevölkerung in der Schweiz umtreibt: die wach-senden Medikamentenpreise. In den letzten 5 Jahren sind in der Schweiz die Medikamentenpreise um 54 Prozent gestiegen. Zahlen des BAG und eines Krankenversicherers zeigen, dass der Medikamentenanteil der von der Grundversicherung zurückerstattenden Kosten zwischen 21 und 24 Prozent beträgt. In der von der Pharmaindustrie immer wieder zitierten Zahl von 10 Prozent sind auch Medikamente enthalten, die keinen Einfluss auf die Höhe der Prämien haben.
Kürzlich Medienberichte haben gezeigt, mit welch harten Bandagen Roche mit dem Bundesamt für Gesundheit um Rabatte und offizielle Preise verhandelt. «Hinterzimmerdeals» nennt der Vertreter einer Krankenkasse die Art und Weise, wie um die Preise - insbesondere um die Brustkrebsmedikamente Perjeta und Herceptin gefeilscht wird. Der Mechanismus läuft dabei wie folgt ab:
Roche verlangt zuerst einmal einen möglichst hohen Preis. Anstatt diesen zu senken, wie vom BAG verlangt, bietet Roche einen Rabatt an, der im Endeffekt dem ursprünglich vom BAG angebotenen Preis entspricht. Sie fragen sich vielleicht, warum Roche denn nicht von Anfang an den vom BAG angebotenen Preis akzeptiert hat.
Die Antwort ist einfach: Mit dem ursprünglich verlangten Preis hat Roche eine bessere Verhandlungsbasis in anderen Ländern. Der in der Schweiz akzeptierte Preis - ohne Rabatt - dient als sogenannter Schaufensterpreis für Preisforderungen im Ausland.
Auf entsprechende Journalistenfragen geht Herr Schwan substantiell nicht ein, sondern wiederholt immer nur seine stereotype Aussage, dass die Verhandlungen mit dem BAG offen und transparent seien und dadurch alle Frauen in der Schweiz zu teilweise günstigeren Bedingungen Zugang zu Krebsmedikamenten hätten als die im Ausland.
Natürlich zeigt dieses Beispiel die Machtlosigkeit der schweizerischen Gesundheitsbehörden auf. Es zeigt aber auch mit welcher Verve Roche die extrem hohen Margen seiner Medikamente verteidigt.
Das Schweizer Fernsehen hat am Beispiel von Herceptin kalkuliert, dass der Anteil der Kosten für Forschung, Entwicklung und Vertrieb etwa 15 Prozent beträgt. Fehlschläge bei der Entwicklung sind darin inbegriffen. Die restlichen 85 Prozent bleiben dem Unternehmen als Gewinn.
Roche sagt, dass ihre Medikamentenpreise nicht von den Kosten für Forschung, Entwicklung und Vertrieb abhängen, sondern vom Nutzen für die Bevölkerung. Heisst das, dass Roche ausrechnet, wie gross der volkswirtschaftliche Wert eines durch ein Medikament geretteten Lebens ist, wenn der geheilte Mensch wieder in den Arbeitsprozess einsteigen kann? Dann würde sich tatsächlich die Forschung für ein Alzheimer-Medikament kaum lohnen. Im Gegensatz zu einem Heilmittel für junge bis sehr junge Patienten.
Ich zweifle sehr, dass Roche diese Art der Preisfestsetzung auch schon mal mit Ethikex-pertinnen und Experten diskutiert hat.
Was aber offensichtlich ist: Masslose Medikamentenpreise gehen bei Roche einher mit masslosen Vergütungen für CEO und Verwaltungsratspräsident.
Bereits 2018 monierte Actares die ausserordentlich hohen Entschädigungen für Verwaltungsratspäsident Dr. Franz von 6.5 Millionen. Diese bleibt auch 2019 unverändert, eben-so die von CEO Dr. Severin Schwan, der mit 15,1 Mio. Franken die am höchsten bezahlte Führungskraft der Schweiz ist. Mit einem Basissalär von 4 Mio. Fr. ist er auch der bestbezahlte Manager der grossen globalen Pharmaunternehmen. Grund genug für Actares, die Vergütungspläne an der Generalversammlung abzulehnen.
Kommt dazu, dass die Doppelfunktion von Severin Schwan als CEO und Verwaltungsratsmitglied nicht den Regeln guter Unternehmensführung entspricht.
Meine Damen und Herren: Es ist zu befürchten, dass Roche die intransparente Preispolitik insbesondere für Krebsmedikamente im In- und Ausland noch eine gewisse Zeit aufrechterhalten kann. Auch die Millionenentschädigung für Herr Dr. Schwan und Dr Franz werden wohl kaum freiwillig geändert.
Roche produziert aber nicht einfach irgendwelche Konsumartikel, sondern Medikamente, die Leben retten. Die hohen Preise und Entschädigung sind dank der Prämienzahlung unserer Bevölkerung und dem guten politischen Umfeld möglich.
Je mehr Berichte über exorbitante Preise und Entschädigungen erscheinen, desto kritischer wird unsere Bevölkerung. Ihre Erklärungen in Interviews, Herr Dr. Schwan, über-zeugen nicht. Auch Roche weiss, dass irgendwann mal ein Mass erreicht ist, das die Toleranz überschreitet und die Bevölkerung von ihren politischen Rechten Gebrauch macht.
Sorgen Sie vor, dass dies nicht geschieht.
Besten Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Votantin: Veronika Hendry, Präsidentin von Actares)