Votum von Actares an der Novartis-GV 2017
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren Verwaltungsräte, sehr geehrte Anwesende
Mein Name ist Veronika Hendry. Ich bin Vorstandsmitglied von Actares, dem Aktionariat für nachhaltiges und sozialverträglichesWirtschaften.
Actares erarbeitet für seine Mitglieder
- Abstimmungsempfehlungen,
- nimmt an den Generalversammlungen die Stimmrechte wahr, die unsere Mitglieder an uns delegiert haben
- und äussert sich dabei zu Themen, die uns im Verlaufe eines Jahres aufgefallen sind.
Während der Vorbereitung zur diesjährigen Generalversammlung von Novartis sind es wiederum zwei Bereiche, die uns beschäftigt haben und zu denen ich hier einiges sagen möchte.
Anlässlich des 20-jährigen Jubiläums von Ethos am 2. Februar sagte Herr Dr. Reinhard etwas Bemerkenswertes. Wenn ich richtig verstanden habe, erhält er in den Tagen vor der Generalversammlung etwa 50 Briefe von AktionärInnen und NGOs. Die Hälfte davon aus Europa, die andere aus Übersee. Die Themenschwerpunkte lassen sich ebenfalls in zwei Hälften teilen. Bei den einen geht es hauptsächlich um Aktienkurse und die Rendite, bei den andern um Nachhaltigkeit oder Gemeinwohl im weitesten Sinne.
Sie dürfen raten, von wo eher die gemeinwohllastigen und von wo die finanzlastigen Fragen kommen! Richtig: In Übersee spielt das Geld eine wichtigere Rolle. Europa hat offenbar noch etwas verstärkt die Nachhaltigkeit und das Gemeinwohl im Blick.
Natürlich ist auch Actares an einem guten Geschäftserfolg interessiert, aber nur, wenn er in einem angemessenen Verhältnis zum Gemeinwohl der Länder steht, in denen Novartis tätig ist.
Trotzdem: Herr Dr. Reinhard könnte einem fast etwas leid tun, mit dieser täglichen Post. Ich stelle mir vor, wie er in den letzten Tagen sowohl Briefe von NGOs wie Actares mit kritischen Fragen zur Geschäftstätigkeit lesen musste und andererseits auch solche von mahnenden Investoren aus Übersee, die endlich einen höheren Aktienkurs verlangen.
Wie meistert er wohl diesen Zielkonflikt? Lässt sich überhaupt beidem gerecht werden / oder ist Nachhaltigkeit und Sozialverträglichkeit ein Luxus? Actares ist überzeugt: Nachhaltigkeit und soziale Verantwortung sind heutzutage selbstverständliche Teile eines soliden Geschäftserfolgs.
Darum möchte ich zuerst über das sprechen, wo Novartis vorbildlich aufgestellt ist, nämlich über den Zugang zu Medikamenten in Schwellen- und Entwicklungsländern. Novartis orientiert regelmässig über das vor zwei Jahren gestartete Programm Access to Medicine. Soeben beginnen externe Evaluationen, um zu zeigen, ob der eingeschlagene Weg auch zu den erwarteten Zielen führt. Wir sind da recht zuversichtlich. Warum? Nicht Medikamentenabgabe allein steht im Zentrum, sondern die Schulung von Personal und Bevölkerung sowie die Nutzung der verfügbaren Technologien. So werden Patienten z.B. per Handy an Medikamenteneinnahme und Kontrollen erinnert. Und wer je in Afrika gereist ist, weiss, wie relativ leicht zugänglich Handys mit Prepaid Cards dort sind.
Novartis möchte, dass diese Programme irgendeinmal selbsttragend sind. Wer weiss, ob langfristig, wenn Afrika sich weiter entwickelt, Novartis auch geschäftlich für seine Vorreiterrolle belohnt wird. Das tönt vielleicht etwas zynisch, wenn man an den gegenwärtigen Zustand des Kontinentes denkt. Vielleicht aber lassen sich mit diesem Argument die Investoren etwas beruhigen, für die Gewinne und höhere Aktienkurse an erster Selle stehen. So oder so: Im Neuesten Rating des Access to Medicine Index, hat Novartis wieder zwei Plätze gut gemacht und steht jetzt weltweit auf Platz 3 der 20 grössten Pharmakonzerne.
Finden Sie nicht, dass Novartis dafür einen speziellen Applaus verdient?
Aber kein Licht ohne Schatten. Bereits an der letzten Generalversammlung habe ich die unlauteren Marketingmethoden von Novartis-Mitarbeitenden in den USA zur Sprache gebracht. Zum Thema Compliance hatte Novartis im Februar 2016 an einer Medienkonferenz ausführlich orientiert, insbesondere über den bereits seit 2011 geltenden Verhaltenscode. Auf meine Fragen verwiesen Sie, Herr Dr. Reinhard und Herr Jimenez, auf weitere von Novartis getroffenen Massnahmen, dass z.B. der Kreis der Verantwortlichen, die bei Verstössen zur Rechenschaft gezogen würden, auch auf Vorgesetztenebene ausgeweitet worden seien. Damit schien das Thema für mich abgeschlossen.
Was aber war auf der Heimreise von Basel nach Zürich die erste Schlagzeile im Internet, die ich zu lesen bekam? Razzia der Polizei in der Niederlassung von Novartis in Südkorea! Und weiter ging es im Verlaufe des Jahres u.a. mit Fällen in der Türkei und in Griechenland.
Novartis hat uns auf unsere schriftlichen Anfragen ausführlich erklärt, welche Bemühungen im Rechts- und Compliancebereich unternommen wurden, um auch in der abgelegensten Niederlassung jedem Mitarbeitenden klar zu machen, dass sich der Korruptionsbegriff in den letzten Jahren verändert hat und dass nicht alles, was legal ist auch legitim ist.
Gleichzeitig hat Novartis in den letzten drei Jahren im Rechts- und Compliancebereich 175 zusätzliche Stellen geschaffen, d.h. dass momentan Personen in 375 Vollzeitstellen den weltweit 123 000 Novartis-Angestellten in 150 Ländern vermitteln sollen, was man hierzulande unter Recht und Anstand im Geschäftsleben versteht.
Sie schreiben, dass sie nicht glauben, dass Novartis ein systemimmanentes Problem habe bei Integritätsverstössen, verweisen aber immer auch wieder darauf, dass viele der Fälle in die Vergangenheit zurückreichen.
Dazu lese ich In der NZZ , dass in einer extrem auf Gewinn orientierten Arbeitsumgebung es tatsächlich eher zu Integritätsverstössen komme. Wichtig sei, dass es in diesem Bereich keine Art von Grauzone geben dürfe. Ich zitiere: "In der Firma muss vielmehr eine Null-Toleranz-Politik herrschen. Unkorrekte Verhaltensweisen müssen angesprochen und im Wiederholungsfall sanktioniert wer-den.“
Wir können nur hoffen, dass auch Novartis so handelt. Und zwar nicht nur mit fehlbaren Mitarbeitenden, sondern auch mit ihren Vorgesetzten, so hart das im individuellen Fall sein mag. Und viel-leicht gehört dazu auch die Art und Weise, wie das Fordern von hohen Verkaufserfolgen von ganz oben nach unten kommuniziert wird.
Es mag sein, dass dem anfangs erwähnten Briefschreiber aus Übersee der Aktienkurs und die Dividende wichtiger ist als die Complianceregeln. Actares aber will mindestens gleichlange Spiesse für beides.
Ich wünsche also Novartis, dass in Zukunft die Abteilung Recht und Compliance wieder verkleinert werden kann, weil alle 123 000 Mitarbeitende in 150 Ländern ihre Lektion gelernt haben. Und last but not least könnten so grosse Teile der bisherigen Bussen- und Gerichtskosten sinnvoller verwendet werden.
In diesem Sinne hoffe ich auf eine Heimfahrt ohne negative Schlagzeilen. Und Ihnen allen danke ich für Ihre Aufmerksamkeit.
(Votantin: Veronika Hendry, Vorstandsmitglied von Actares)