Nestlé und Gewerkschaften
An der Generalversammlung von Nestlé forderte Catherine Herold, Präsidentin von ACTARES, Verwaltungsratspräsident Rainer E. Gut auf, die Beziehungen zu den Gewerkschaften zu normalisieren. Der Geltungsbereich der Vereinbarung mit der International Union of Food Workers’ Associations (IUF) solle von Europa auf die ganze Welt ausgeweitet werden.
ACTARES erachtet Vereinbarungen mit Gewerkschaften als notwendigen Bestandteil guter Bezie-hungen zu Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Mit einer weltweiten Ausweitung der Vereinbarung mit der International Union of Food Workers’ Associations könnte Nestlé ein deutliches Signal setzen, dass es dem Unternehmen ernst ist mit dem Bekenntnis zu langfristigen und vertrauensvollen Beziehungen zu den Mitarbeitenden in allen Teilen der Welt. IUF ist die globale Dachorganisation der Gewerkschaften des Nahrungsmittelsektors.
Weltweit Konflikte
In letzter Zeit gab es wiederholt Meldungen, dass Tochtergesellschaften von Nestlé in verschiedenen Ländern die Gewerkschaftsrechte nicht respektierten. Einige Beispiele:
In der Nestlé-Fabrik Timaschewsk in Russland soll ein Mitarbeiter entlassen worden sein, der als Gewerkschaftsvertreter und Vorsitzender des Arbeitsschutzkomitees tätig war. Er hatte auf ungenügende Arbeitsschutzvorkehrungen aufmerksam gemacht. In der gleichen Fabrik drohte die Geschäftsleitung Temporärangestellten damit, sie nicht fest anzustellen, wenn sie nicht aus der Gewerkschaft austräten.
In Südkorea drohte Nestlé im vergangenen Jahr nach einem Streik damit, die Produktion zu verlagern. Die OECD-Richtlinien für multinationale Unternehmen verbieten ausdrücklich, die Drohung mit Produktionsverlagerungen als Druckmittel in Kollektivverhandlungskonflikten einzusetzen. Aus diesem Grund ist bei den OECD-Kontaktstellen in Südkorea und in der Schweiz Beschwerde gegen Nestlé eingereicht worden. Diese ist noch hängig, der Streik wurde inzwischen beigelegt.
In El Salvador wurde der Konflikt um einen Sozialplan nach einer Fabrikschliessung erst nach einer internationalen Kampagne gegen Nestlé beigelegt.
Nestlé beruft sich darauf, die Leitsätze des Global Compact der UNO zu respektieren. ACTARES ist der Ansicht, dass Nestlé durch eine bessere Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften auf globaler Ebene und in allen Ländern Vorfälle vermeiden könnte, die dem Global Compact, den Konventionen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) oder den OECD-Richtlinien für multinationale Unternehmen widersprechen. Auf europäischer Ebene hat Nestlé ein Abkommen mit der IUF unterzeichnet, die den Grossteil der gewerkschaftlich organisierten Nestlé-Mitarbeitenden vertritt. ACTARES wollte von Nestlé erfahren, wann die Gültigkeit dieser Vereinbarung auf die ganze Welt ausgedehnt werde.
Probleme kleingeredet
In seiner Antwort kommentierte CEO Peter Brabeck zwei der erwähnten Beispiele kurz und machte geltend, dass sie mittlerweile zumindest teilweise gelöst seien. Ausführlich äusserte er sich zum Kon-flikt in Kolumbien, den ACTARES nur mit einem Nebensatz erwähnt hatte. Die eigentliche Frage über eine weltweit gültige Vereinbarung wurde nicht beantwortet, obwohl ACTARES Nestlé über den Inhalt zwei Tage vor der GV unterrichtet hatte. Herr Brabeck bemerkte lediglich, dass Respektieren der Gewerkschaftsrechte für Nestlé nicht heisse, immer zu allem ja sagen zu müssen, und dass es eben Gewerkschaften gebe, die nicht verstünden, dass eine Firma wie Nestlé auch Geld verdienen müsse. Ausserdem könne es bei so vielen Gewerkschaften und Arbeitern ab und zu Konflikte geben. Danach hatte VR-Präsident Rainer Gut genug vom Thema Gewerkschaften, obwohl noch ein Redner aus Ko-lumbien eingetragen war. Diesem gelang es zwar noch, sein Votum zu halten; der ebenfalls als Redner eingetragene Übersetzer (ein zutrittsberechtigter Aktionär!) wurde jedoch am Sprechen gehindert.