Historischer Sieg
Am 14. April 2010 um Punkt 18 Uhr kam es an der UBS-Generalversammlung zu einem historischen Abstimmungs­ergebnis: Der UBS-Spitze wurde die Entlastung für das Jahr 2007 verweigert! Erstmals in der Schweiz setzte sich ein breit gestreutes Aktionariat gegen einen mächtigen Verwaltungsrat durch.
Bei erfolgreichen Angriffen auf den Verwaltungsrat an Aktionärsversammlungen handelte es sich in der Vergangenheit stets um Palastrevolutionen, bei denen Grossaktionäre die Fäden zogen, man denke nur an Sulzer, Oerlikon, Ascom oder SGS.
Fragmentiertes Aktionariat
Nicht so bei UBS, wo weniger als ein halbes Dutzend Aktionäre je mehr als 3 Prozent des Aktienkapitals stellen. Auf diesem Flaggschiff der Schweizer Wirtschaft zählen selbst Pensionskassen und Investmentfonds zu den kleinen Fischen. Mehrheiten kommen folglich nur durch einen breiten Konsens zustande.
Dass Anträge des Verwaltungsrates abgelehnt wurden, ist die logische Folge zahlreicher reiflich durchdachter Entscheidungen. Wenn die Bank gelassen in die Zukunft blicken und ihre Glaubwürdigkeit retten will, darf sie die Begebenheiten, die sie an den Rand des Ruins getrieben haben, nicht einfach abhaken.
Ein Hauch von Revolution in der Luft
Erwartungsgemäss übten die zahlreichen Aktionärinnen und Aktionäre, die während der 9-stündigen Versammlung das Wort ergriffen, harsche Kritik an der UBS-Führung. Diese Stimmung drückte sich auch im Abstimmungsergebnis aus.
Das Nein, mit dem 52,75% der Stimmberechtigten die Entlastung der Unternehmensführung für das Geschäftsjahr 2007 verweigerten, wird in die Geschichte eingehen. Damit ist der Beweis erbracht, dass Aktionärinnen und Aktionäre mehr als nur Achtungserfolge erzielen können, wenn sie sich mobilisieren.
Aber auch an Achtungserfolgen mangelte es nicht: Die knappe Zustimmung von 54,72% zum Vergütungsbericht war ein deutliches Signal an die Unternehmensführung, und auch die 21,26 beziehungsweise 14,38% Nein-Voten zur Décharge für die Jahre 2008 und 2009 sowie die Wiederwahl verschiedener Verwaltungsratsmitglieder mit weniger als 90% der Stimmen verdeutlichten den Unmut des Aktionariats.
Wie weiter?
Am 15. Dezember 2009 hatte UBS in einem gewundenen Communiqué ihren Entscheid begründet, auf eine Klage gegen die ehemalige Führungsriege zu verzichten. Anstatt zu bekräftigen, dass bei der internen Untersuchung keine Schuldigen gefunden wurden, argumentierte das Unternehmen, eine Klage sei nicht im Interesse der Bank und ihrer Aktionäre. Über die Untersuchungsergebnisse wurde nicht informiert.
Selbst seine Niederlage gegenüber dem Aktionariat konnte den Verwaltungsrat nicht dazu bewegen, seine Haltung zu überdenken. Widerstrebend liess Verwaltungsratspräsident Kaspar Villiger in den Medien verlauten, dass nur von einer Parlamentarischen Untersuchungskommission (PUK) festgestellte neue Fakten den Beschluss in Frage stellen könnten, von einer Klage abzusehen.
Inzwischen steht fest, dass es keine PUK geben wird. Die UBS-Aktionärinnen und -Aktionäre müssen also davon ausgehen, dass der Verwaltungsrat untätig bleiben wird, und stehen vor einem Dilemma: Entweder sie ziehen einen Schlussstrich, was den Sinn ihrer Mobilisierung in Frage stellen würde, oder aber sie reichen selbst eine Klage ein und nehmen die damit verbundenen Mühen auf sich.
Unbestrittener Handlungsbedarf
Für ACTARES steht fest, dass etwas unternommen werden muss. Der Vorstand hat deshalb beschlossen, sich der Sammelklage anzuschliessen, die von einer Aktionärsgruppe geplant ist. Mitglieder, die sich daran beteiligen möchten, können sich an die Geschäftsstelle wenden (siehe Seite 9). Die in etwas mehr als einem Jahr geknüpften Kontakte und gesammelten Informationen haben deutlich gemacht, dass ein individueller Vorstoss aus finanzieller und organisatorischer Sicht nicht in Frage kommt.
ACTARES tut diesen Schritt äusserst ungern und hätte es bei Weitem vorgezogen, dass der Verwaltungsrat die Verantwortung wahrnimmt, für die er gewählt wurde, und den Willen des Aktionariats in die Tat umsetzt.
Die Zukunft steht auf dem Spiel
Noch immer hat UBS die ethische Kehrtwende nicht vollzogen, die für den Wiederaufbau ihrer Glaubwürdigkeit unverzichtbar ist. Zwar wurde zu Beginn des Jahres ein Verhaltens- und Ethikkodex herausgegeben, aber dieser beschränkt sich auf das Nötigste. Zum einen fordert er von den Mitarbeitenden die Einhaltung von Gesetzen und Steuervorschriften sowie Loyalität, Vertraulichkeit und Umsichtigkeit. Zum andern verpflichtet sich die Bank, die Menschenrechte zu achten, die Chancengleichheit zu gewährleisten, die Umwelt zu schonen und das soziale Gemeinwohl zu steigern.
Die Sanktionen bei Verstössen sind in deutlichen Worten formuliert. Wie aber soll man dem Kodex Glauben schenken, wenn UBS gleichzeitig nach Kräften versucht, die Fehler der jüngsten Vergangenheit unter den Teppich zu kehren, anstatt sie aufzuarbeiten? Mit Papiertigern lässt sich keine Reputation aufbauen.
Diese Skepsis ist mehr oder weniger bei allen umstrittenen Fragen berechtigt. Das Vergütungssystem, das von der Generalversammlung 2009 in einer Konsultativabstimmung gutgeheissen worden war, wurde nicht eingehalten, und die Boni setzten ihren Höhenflug fort. Die Bereichspolitiken des Unternehmens wurden noch immer nicht veröffentlicht und lassen sich folglich nicht überprüfen. Die Konsequenzen der von der Bank getätigten Investitionen werden nicht umfassend getragen und erscheinen nicht in der Sozial- und Umweltbilanz. Die Anzahl der Frauen im Verwaltungsrat und in der Geschäftsleitung ist nach wie vor vernachlässigbar. Kurzum: Den schönen Worten folgen keine Taten.
Aus den Fehlern lernen
Die Debatte über das Finanzdebakel von UBS droht die übrigen Fragen im Zusammenhang mit dem nachhaltigen Wirtschaften in den Hintergrund zu drängen. ACTARES will dies vermeiden und diese Themen möglichst bald wieder zur Sprache bringen. Tatsächlich wäre es unentschuldbar, wenn die mittlerweile in ruhigeren Gewässern segelnde Bank die Lehren aus der Krise in den Wind schlüge, im Schlendrian früherer Zeiten verharrte und nicht in der Lage wäre, sich den ökologischen und ethischen Herausforderungen der Zukunft zu stellen.
www.actares.ch/Downloads/UBS_Medienmitteilung_15_12_2009.pdf
Glossar
Entlastung (Décharge): Beschluss, mit dem das Aktionariat an der Generalversammlung die Geschäftsführung durch die Leitungsgremien im vergangenen Jahr billigt. Nach erfolgter Entlastung können die Leitungsgremien nur noch belangt werden, wenn bisher verschwiegene Tatsachen bekannt werden.
Verjährung: Erlöschen des Klagerechts nach einer bestimmten Frist. In der Schweiz können Aktionärinnen und Aktionäre, die die Entlastung anfechten wollen, innerhalb von 6 Monaten eine gerichtliche Klage einreichen.
Zivilklage: Klage, die auf die Wiedergutmachung eines Schadens abzielt und die nur von wirtschaftlich geschädigten natürlichen oder juristischen Personen eingereicht werden kann. Nicht nur vorsätzliche, auch fahrlässige Schädigung kann geahndet werden.
Strafklage: Klage, die auf die Bestrafung eines Gesetzesverstosses abzielt. Sowohl bei Offizialdelikten, deren Verfolgung zwingend ist, wie auch bei Delikten, die nur auf Antrag des Opfers verfolgt werden müssen, ist die Vorsätzlichkeit entscheidend.