Zukunft mit Transparenz
Im September hatten Actares-Mitglieder die Gelegenheit, sich mit Vertreterinnen und Vertretern aus Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und NGOs über die nichtfinanzielle Berichterstattung der Konzerne auszutauschen. Das Fazit: Das neue Gesetz des Bundes taugt wenig. Wie weiter?
Actares hat sich zum Ziel gesetzt, die öffentliche Debatte über die mangelhafte oder unübersichtliche Berichterstattung der Konzerne zu ihrem Nachhaltigkeitsverhalten mitzugestalten. Die Konzernverantwortungsinitiative ist 2020 zwar am Ständemehr gescheitert. Eine Mehrheit der Stimmbevölkerung – und mit ihnen auch viele Actares-Mitglieder – wünscht sich dennoch eine Wirtschaft, die im Bereich der Nachhaltigkeit mehr Verantwortung trägt. Der Gegenvorschlag soll ab Geschäftsjahr 2023 zur Anwendung kommen.
Ob dieser Gegenvorschlag eine sinnvolle und ausreichende Alternative ist, wollte Actares am traditionellen Actares Forum im September von Vertreterinnen und Vertretern aus Wirtschaft, Rechtswissenschaft, Hilfswerken und Unternehmensberatung erfahren und holte sie an einen Tisch. Ihre Meinung war ein deutliches Nein, auch wenn der Gegenvorschlag Anreize schafft, die Nachhaltigkeit im Unternehmen zu stärken. «Die Rentabilität und das Erschliessen neuer Märkte können durch Vertrauen und transparente Nachhaltigkeitsberichte gesteigert werden», sagte etwa Zoé Bender vom Beratungsunternehmen BDO Schweiz. Forma- Futura-Chefin Antoinette Hunziker-Ebneter führte dann aber die aktuell sehr unterschiedlichen Ansprüche an Nachhaltigkeitsberichte ins Feld: «Der dünnste Bericht eines Schweizer Unternehmens umfasst sieben Seiten, der dickste 620 Seiten.» Und: Heute könne sich jedes Unternehmen nachhaltig nennen, selbst wenn es nur wenig wirksame Aktionen wie das Auswechseln von stromintensiven Glühbirnen in den Büros vorzuweisen habe. Daran ändert wohl auch die neue Verordnung nichts. Völkerrechtsprofessorin Evelyne Schmid von der Universität Lausanne brachte die Lücken der Vorlage gnadenlos ans Licht: «Die Vorlage ist nicht international abgestimmt und viel schwächer als etwa jene der EU oder Deutschlands.» Noch schlimmer sei aber, dass jedes Unternehmen alternativ einen anderen internationalen Standard auswählen könne, um so die Berichterstattungs- und die Sorgfaltspflicht zu umgehen. Nicht, dass nun alle Unternehmen solche Gesetzeslücken auszunützen suchten, wie Wirtschaftsprüfer und EXPERTsuisse-Vertreter Martin Nay betonte, aber viel Gutes blieb am Ende der Diskussion nicht an der Vorlage hängen. HEKS-Präsident und Actares-Mitglied Walter Schmid kritisierte sie ebenso, begrüsst es aber, «dass darüber diskutiert wird und damit der öffentliche Druck aufrechterhalten bleibt». Dies sei eine zentrale Aufgabe der NGOs, auch von Actares.
Schweizer Wirtschaft als Vorbild
Transparenz dürfte das geflügelte Wort der Zukunft sein, wenn ein Unternehmen langfristig glaubwürdig und letztlich erfolgreich sein will. Davon sind selbst grosse Unternehmen überzeugt. Doch während Unternehmen mit Hebelwirkung auf eigene Standards setzen, besteht Actares auf Auflagen, die einen Vergleich der Konzerne ermöglichen. Diesen Anspruch scheint der indirekte Gegenvorschlag zur Konzerninitiative nicht zu erfüllen. Und es braucht die Interventionen der Zivilgesellschaft mehr denn je. Pierre Zwahlen, Waadtländer Kantonsrat, Actares-Mitglied und Präsident der «Plattform Agenda 2030», eines Zusammenschlusses von 50 zivilgesellschaftlichen Akteurinnen und Akteuren, setzt sich für ganzheitliche Lösungen ein. «Anlegerinnen und Anleger entscheiden sich zunehmend für Unternehmen, die sich der Nachhaltigkeit zum Wohle künftiger Generationen verschrieben haben. Es liegt also im Interesse der Unternehmen, die Menschenrechte und die Umwelt so weit wie nur möglich zu respektieren und in ihrem Wirkungsbereich eine aktive Rolle bei der Erreichung der 17 Ziele für eine nachhaltige Entwicklung zu spielen. Wirtschaft, Politik und Zivilgesellschaft sollten ihr Handeln auf die von der Schweiz und 192 weiteren Ländern verabschiedeten Millenniumsentwicklungsziele abstimmen. Die Gesellschaft gewinnt an Frieden, einem weniger gestörten Klima, weniger Ungleichheit und einer erhaltenen Tier- und Pflanzenvielfalt.» Ein Ziel, das letztlich alle erreichen wollten.
Vom Gleichen sprechen
Caroline Pirenne, Actares-Mitglied der ersten Stunde, ist überzeugt, «dass sich eine kontrollierte Transparenz sogar zu einem Vermögenswert, zu einem Markenimage etablieren kann». Ein Unternehmen könne zum Botschafter werden, sein Know-how weitergeben und von ausländischen Partnern ähnliche Werte verlangen. «Heute funktioniert es umgekehrt: Ein multinationales Unternehmen hat Tochtergesellschaften in Entwicklungsländern, die nicht sehr oder überhaupt nicht demokratisch sind und daher auf unfairer Basis Handel treiben.» Ausgenutzt würden etwa die fehlenden Rechtsinstitutionen und das tiefe Bildungsniveau. Ganz zu schweigen von der Ausbeutung der Rohstoffe, der Blockierung des lokalen Marktes, des Entzugs von lokal erwirtschafteten Vermögenswerten aus dem lokalen Kreislauf und der Förderung von Korruption. Wenn es nach Pirenne geht, so bedeutet Transparenz, dass alle Akteure im Wirtschaftskreislauf die Auswirkungen der Tätigkeiten kennen – vom Verbraucher über die Aktionärin und den Investor bis zur Verwaltungsrätin. «Dies erfordert eine gemeinsame Sprache, vergleichbare Zahlen nach Gebieten und im Zeitverlauf und die Veröffentlichung von Daten.» Dabei meint sie nicht nur die materiellen, sondern auch die immateriellen Vermögenswerte und die Analyse der Zusammenhänge von sozialer, ökologischer und politischer Nachhaltigkeit.
Was die derzeit unterschiedlichen Qualitätsansprüche der Schweizer Konzerne an ihre Nachhaltigkeitsberichte betrifft, so hält es Actares mit der Vermögensverwalterin Antoinette Hunziker-Ebneter: «Die Berichte müssen sehr genau geprüft werden, um den ernsthaften Willen eines Unternehmens zu ergründen.»
Den Arbeitsgruppen von Actares geht die Arbeit nicht aus.