Saison 2024
Es gab ein neues obligatorisches GV-Traktandum – den nichtfinanziellen Bericht – und eine Bank sorgte wieder einmal für eine Vergütungsdebatte.
Die Saison 2024 begann mit einer wichtigen Neuerung: Nachdem 2020 die Konzernverantwortungsinitiative am Ständemehr scheiterte, trat Anfang 2022 der indirekte Gegenvorschlag zur Initiative (Art. 964 OR) in Kraft. Beginnend mit dem Geschäftsjahr 2023 verpflichtet der neue Artikel Unternehmen ab einer bestimmten Grösse, über nichtfinanzielle Belange zu berichten. Dies beinhaltet Bereiche wie Umwelt, Soziales, Menschen- und Arbeitnehmerrechte sowie die Vermeidung von Korruption. Die Unternehmen müssen erfassen, wie sich ihre Geschäftstätigkeit – und diejenige von Unternehmen, die sie kontrollieren – auf diese Bereiche auswirkt, und sie müssen darlegen, was sie tun, um negative Auswirkungen zu mindern. Wenn das Unternehmen dazu nichts sagen kann, muss es erklären, warum (gemäss dem Prinzip «comply or explain»). Für Rohstoffunternehmen gelten zusätzliche Regeln bezüglich Metallen und Mineralien aus Konfliktgebieten sowie Kinderarbeit.
Neues GV-Traktandum: «Nichfinanzielle Berichterstattung»
Der nichtfinanzielle Bericht muss jährlich von der Generalversammlung genehmigt werden. Zurzeit bestehen verschiedene Auffassungen darüber, ob die Abstimmung über den Bericht bindend sein soll – analog zum Geschäftsbericht – oder beratend. Actares sähe gerne eine bindende Abstimmung.
Ab Anfang 2025 (beginnend mit dem Geschäftsjahr 2024) werden die betroffenen Unternehmen auch eine Berichterstattung über Klimabelange einschliessen müssen – dies wird durch eine Verordnung zur oben ausgeführten Neuerung des Aktienrechts geregelt. (Details dazu gibt der Schwerpunkt-Artikel im Bulletin Nummer 48.)
Umsetzung der nichtfinanziellen Berichterstattung: keine Einigkeit
Die aktuelle Saison offenbarte unterschiedliche Auffassungen über eine angemessene Umsetzung der neuen gesetzlichen Vorgaben. Unternehmen sind sich zum Beispiel nicht einig über die Verbindlichkeit des neuen GV-Traktandums «Nichtfinanzielle Berichterstattung»: Von den 18 Unternehmen des Swiss Market Index (SMI), deren Generalversammlung bereits stattgefunden hat, liessen sieben eine bindende Abstimmung durchführen, elf nur eine beratende. Grösser ist die Übereinstimmung bei der Klimaberichterstattung: Die von der oben erwähnten Verordnung nahegelegten Vorgaben der Task Force on Climate-related Financial Disclosures (TCFD) werden schon weitgehend angewandt, wenn auch oft zu wenig detailliert.
Die Qualität der vorgelegten nichtfinanziellen Berichterstattung variiert: Neun der 18 erwähnten SMI-Unternehmen berichten angemessen über nichtfinanzielle Belange im Allgemeinen, aber drei davon erfüllen nicht die Kriterien, die Actares an die Klimaberichterstattung im Speziellen stellt. Am Ende konnte Actares deshalb nur in sechs von 18 Fällen den Bericht genehmigen.
Die Berichterstattungspflichten werden damit aber nicht enden, nicht zuletzt aufgrund des regulatorischen Drucks aus der Europäischen Union (siehe dazu auch den Schwerpunkt-Artikel in dieser Ausgabe des Bulletins). Es erscheinen auch mögliche neue Themen am Horizont, zum Beispiel naturbezogene Risiken, die eng zusammenhängen mit klimabezogenen Risiken (siehe dazu den Artikel im Bulletin Nummer 48). Ende 2023 hat Actares bei den SMI-Unternehmen nachgefragt, wo sie bei der Erhebung naturbezogener Risiken stehen, ob sie Strategien und Ziele formuliert haben und ob sie diese von einer unabhängigen Stelle validieren lassen.
Erst am Anfang bei naturbezogenen Risiken, auf dem Weg beim Klimaschutz
Drei Viertel der Unternehmen haben geantwortet. Fünf geben an, eine umfassende Erhebung naturbezogener Risiken erstellt zu haben. Drei verfügen über eine Strategie zu deren Verminderung. Die meisten Unternehmen sind bis jetzt aber nicht über das Analysestadium hinausgekommen und meistens berücksichtigen sie nur einen Teil der naturbezogenen Risiken, zum Beispiel Wasserverbrauch oder Abfallproduktion. Von quantifizierbaren Zielen ist noch nirgends die Rede. In einem nächsten Schritt wird die Actares-Arbeitsgruppe Klima eine Checkliste entwickeln, um den Umgang von Unternehmen mit naturbezogenen Risiken systematisch zu beurteilen.
Bei den Klimastrategien von SMI-Unternehmen ist das Bild noch sehr ähnlich wie letztes Jahr. Nur neun von zwanzig SMI-Unternehmen genügen den Ansprüchen von Actares. Dazu gehören aber immerhin die zwei mit Abstand grössten CO2-Emittenten an der Schweizer Börse: Nestlé hat sich detaillierte kurz- und langfristige Ziele gesetzt (aufgeschlüsselt nach landwirtschaftlichen und anderen Emissionen). Holcim verfügt über eine konkrete Reduktionsstrategie und verknüpft die Vergütungsanreize mit den relevanten Leistungsindikatoren. Ausserdem lässt Holcim als einziges SMI-Unternehmen getrennt über den Klimabericht abstimmen.
Andererseits sind die Klimastrategien von elf SMI-Unternehmen ungenügend. Dazu gehört zu einem grossen Teil auch die Finanzbranche. Während Swiss Re die mit dem gesamten Geschäft (Investitionen und Versicherungen) verbundenen Emissionen offenlegt, ist das bei Zurich noch nicht der Fall. UBS hat sich noch immer nicht auf einen Ausstieg aus der Finanzierung fossiler Energien festgelegt. Und die Bank muss erst noch darlegen, wie sich die Fusion der Klimastrategien von UBS und Credit Suisse auf ihre Klima-Roadmap auswirkt.
Neben Querschnittsthemen wie den klima- und naturbezogenen Risiken ging es in der Saison 2024 unter anderem auch um die folgenden Themen:
Nestlé: die Sache mit dem Zucker
Unmittelbar vor der Generalversammlung kam Nestlé in die Schlagzeilen, weil eine Untersuchung von Public Eye enthüllte, dass das Unternehmen in bestimmten Märkten Kleinkindernahrung mit sehr hohen Zuckeranteilen verkauft – obwohl es immer wieder beteuert, den Anteil ungesunder Nahrung senken zu
wollen, und auf der Website explizit vor Zucker in Babynahrung warnt.
Diese Enthüllung fiel zusammen mit dem Antrag einer Gruppe von institutionellen Aktionären: Eine Ergänzung der Statuten sollte Nestlé dazu verpflichten, sich zeitlich begrenzte Ziele zu setzen, um den Anteil gesünderer Produkte am Umsatz zu erhöhen. Actares unterstützte diesen Antrag (den die Generalversammlung letztlich ablehnte), weil Fragen zu gesunder Ernährung und transparenter Kennzeichnung im Dialog mit Nestlé nicht immer zufriedenstellend beantwortet wurden. Mit der Annahme des Antrags hätte Nestlé eine verbindliche Absichtserklärung machen können, ohne sich übermässig einzuschränken.
Pharmabranche: zwischen Profit und sozialer Verantwortung
Bei den Pharmaunternehmen stand für Actares der fortwährende Zielkonflikt zwischen Profitmaximierung und gesellschaftlicher Verantwortung im Mittelpunkt. Novartis erwirtschaftet hohe Gewinne und leistet sich Spitzenlöhne für die Führungsspitze – dank Patentschutz und dem daraus folgenden Marktmonopol mit Preissetzungsmacht. Actares erinnerte das Unternehmen aber an die soziale Verantwortung von Pharmaunternehmen und mahnte an, dass Novartis mehr dafür tun könne, um in einkommensschwachen Ländern den Zugang zu Medikamenten zu verbessern – zum Beispiel durch Lizenzvergaben oder einen Finanzierungsfonds.
Sandoz ist nach der Abspaltung von Novartis im letzten Jahr gut gestartet und lud dieses Jahr zur ersten Generalversammlung. Actares anerkannte das wirtschaftliche Potenzial des neuen Unternehmens, ermunterte es, angesichts der Bedrohung durch antimikrobielle Resistenzen, aber dazu, sich nicht nur bei der Produktion, sondern auch bei der Entwicklung neuer Antibiotika zu engagieren.
UBS: Empörung und Medienwirbel
Für den grössten Aufreger der Saison sorgte UBS: Die üppige Vergütung des CEO für neun Monate Arbeit führte zu einem Medienwirbel und Kritik aus allen Richtungen. Actares sprach im GV-Votum von einer «krassen Fehlleistung» – angesichts der Garantien bei der Übernahme von Credit Suisse und der faktischen Staatsgarantie für UBS als systemrelevante Bank – und drückte die Hoffnung aus, dass dies nicht das Fanal sei für eine neue Ära der Verantwortungslosigkeit im Bankenwesen.