Interview: Gudela Grote

Gudela Grote ist Professorin für Arbeits- und Organisationspsychologie und Vorsteherin des Departements Management, Technologie und Ökonomie der ETH Zürich. In ihrer Forschung untersucht sie die Folgen von Virtualisierung und Flexibilisierung von Arbeit für das individuelle und organisationale Management von Unsicherheit. Gemeinsam mit Prof. Bruno Staffelbach von der Universität Zürich gibt sie den Schweizer HR-Barometer heraus. An der von Actares mitorganisierten Tagung «Fairness in der Arbeitswelt» referierte Gudela Grote über die Bedingungen der Arbeit in Zeiten von Globalisierung und Digitalisierung.

Actares: Wie verändern sich die Arbeitsbedingungen im Zeitalter von Digitalisierung und Globalisierung?
Gudela Grote: Reorganisationen werden immer häufiger. Berufsprofile wandeln sich durch mehr Technikeinsatz in allen Bereichen von Wirtschaft und Verwaltung. Die Arbeitsbelastung steigt durch immer enger getaktete Arbeitsprozesse.

Welche Auswirkungen haben die veränderten Arbeitsbedingungen auf die Arbeitszufriedenheit?
Seit 2006 gibt es in der Schweiz jährlich repräsentative Befragungen von Beschäftigten zu Einstellungen, Wahrnehmungen, Stimmungen und Absichten, die im Human-Relations-Barometer analysiert werden. Da zeigt sich, dass der Anteil an «resignativ zufriedenen» Personen steigt. Das sind Beschäftigte, die ihre Erwartungen an die Arbeit gesenkt haben, um sie mit der weniger attraktiven Realität in Einklang zu bringen. Nicht erfüllt werden oft die Erwartungen an Entwicklungs- und Weiterbildungsangebote im Unternehmen. Diese sind aber eigentlich zentrale Bestandteile einer guten Arbeitsbeziehung, nicht zuletzt mit Blick auf den allgemeinen Veränderungsdruck.

Welche Herausforderungen kommen diesbezüglich auf uns zu?
In erster Linie müssten wir Beschäftigte darin unterstützen, dass sie sich in einer unsicherer werdenden Arbeitswelt orientieren und positionieren können. Virulent ist diese Herausforderung einerseits bei den älteren Mitarbeitenden, die oftmals von den Unternehmen gar keine Unterstützung mehr für ihre berufliche Weiterentwicklung erhalten. Andererseits sind auch die Jungen eine wichtige Gruppe. Sie steigen oft mit grossen Erwartungen ins Arbeitsleben ein. Ihr Engagement kann nur erhalten werden, wenn ihre Interessen ernst genommen werden.

Was könnte eine Organisation wie Actares zur Bewältigung dieser neuen Herausforderungen beitragen?
Actares und ähnliche Organisationen könnten eine wichtige Rolle im Spannungsfeld von Arbeitsplatzunsicherheit und Arbeitsmarktfähigkeit spielen. Besonders für ältere Arbeitnehmende ist die Förderung der Arbeitsmarktfähigkeit durch die Unternehmen bisher vielfach nur Lippenbekenntnis. Aber früher oder später werden wir alle länger arbeiten müssen. Deshalb muss in den Unternehmen schon jetzt ein Umdenken einsetzen, das eine sinnvolle Laufbahngestaltung über das gesamte Berufsarbeitsleben ermöglicht.


Tagung «Fairness in der Arbeitswelt»
Gesellschaftliche Entwicklungen wie Digitalisierung, demografischer Wandel oder auch wirtschaftliche Globalisierung berühren die Arbeitswelt zentral. Arbeitgebende sowie Arbeitnehmende in der Schweiz stehen vor enormen Herausforderungen: Wie können in Zeiten rascher Veränderungen Vertrauen, Kooperation und Fairness in der Ausgestaltung von Arbeitsbeziehungen gewährleistet werden? Wie können diese zwischen Arbeitgebenden und Arbeitnehmenden fair bewältigt werden? Am 6. Oktober organisierte die evangelisch-reformierte Kirche des Kantons Zürich in Zusammenarbeit mit Actares, dem Arbeitgeberverband Schweiz und Travail Suisse eine Tagung, die das Thema aus verschiedenen Perspektiven beleuchtete.