Interview: Falko Paetzold
Falko Paetzold ist wissenschaftlicher Abteilungsleiter des Center for Sustainable Finance and Private Wealth am Department of Banking and Finance der Universität Zürich und Co-Leiter der Initiative for Responsible Investment. Dies ist ein Ausbildungsprogramm für ultrareiche Erben und ein Gemeinschaftsprojekt der Harvard Kennedy School und der Universität Zürich.
Herr Paetzold, warum setzen Sie sich für Nachhaltigkeit ein?
Nach dem Studium in Kanada war ich im Industriebereich engagiert und habe Zulieferketten in Belgien und China optimiert. Dabei habe ich das Thema Nachhaltigkeit entdeckt. Es hat mich gepackt, und ich habe es über einen MBA und die Tätigkeit in der Strategieberatung voranzubringen versucht. Das war aber wenig zielführend. Einen besseren Hebel, etwas zu erreichen, sah ich in den Kapitalmärkten. Ich verbrachte etliche Jahre im Aufbau von Nachhaltigkeitsfonds.
Sie stellen in Ihren Untersuchungen fest, dass sich junge Ultrareiche sehr für Nachhaltigkeit interessieren. Warum können gerade sie viel erreichen?
Rund die Hälfte des Weltvermögens konzentriert sich in den Händen von 0,7 % der Menschheit. Die Regierungen sind wegen Spardrucks weitgehend gelähmt. Die Bevölkerung ist überfordert und machtlos. Ultrareiche hingegen haben die Möglichkeit, viel zu bewirken.
Wie versuchen Sie, mit diesen «Gutmeinenden» eine Wende einzuleiten?
Unsere Mission ist es, Vermögenden und insbesondere ultrareichen Erben aufzuzeigen, dass sie über unglaubliche Macht, Verantwortung und Gestaltungskraft verfügen. Wenn sie diese nicht wahrnehmen, lassen sich zum Beispiel diverse negative Beeinträchtigungen der Umwelt kaum stoppen. In unseren Weiterbildungsprogrammen und Workshops zeigen wir die Möglichkeiten auf, mit denen sie zur Lösung von sozialen und ökologischen Herausforderungen beitragen können.
Ist diese Hinwendung zu sinnvollen Investitionen nicht nur eine Modeerscheinung?
Nein, überhaupt nicht. Unsere Programmteilnehmenden sind vollkommen überzeugt von Anlagen, die messbar soziale und ökologische Veränderungen fördern. Sie sehen, dass gehandelt werden muss, und wir zeigen ihnen auf, dass sie mit dem ihnen zur Verfügung stehenden Kapital viel erreichen können. Es ist aber schwer, gute Wege zu finden.
Was machen Sie in Ihrem Ausbildungsprogramm?
In jedem Kurs haben wir dreissig Teilnehmende. Sie sind zwischen zwanzig- und fünfzigjährig mit einem Vermögen von meistens über hundert Millionen Dollar, über das sie selbst oder ihre Familie verfügen. Wir zeigen das gesamte Spektrum nachhaltiger Anlagen auf. Die Teilnehmenden entwickeln ein Verständnis dafür, welche Ansätze zu welchen Vermögensgefässen passen und wie dies die verschiedenen Akteure in ihrer Familie ansprechen kann. Zudem führen die Teilnehmenden in Gruppen eine detaillierte Due Diligence zu je einem Nachhaltigkeitsfonds durch und präsentieren das Ergebnis. Auf dieser Basis entwickeln sie gemeinsame Strategien, wie Nachhaltigkeit am besten mit ihrem Familienvermögen kombiniert werden kann.
Wo antwortet Actares auf Bedürfnisse Ihrer Kursteilnehmenden?
Die Stimmrechte auszuüben, ist sehr wichtig. Es ist eine massgebliche Schwachstelle des Kapitalismus, dass die Entscheidungsgewalt bei den Investoren liegt, diese ihre Macht aber viel zu selten aktiv und überlegt ausüben. Gerade die Ultrareichen verfügen mit ihren Mitbestimmungsrechten über wirksame Mittel. Unseren Kursteilnehmenden erklären wir, wie einfach das ist und dass sie Stimmrechtsberater beiziehen können. Akteure wie Actares vermögen auch mit geringen Mitteln etwas zu erreichen und Aufsehen zu erregen, zum Beispiel indem sie brisante Themen aufgreifen, die in die Abstimmungen an Generalversammlungen einfliessen sollen.