Ende der Diskussion?
Sind es nur Skandale oder ist das bereits kriminell? Empörende Fehlinvestitionen, der Wirtschaftskollaps in Mosambik, Spionageaffären und ein unglaubwürdiger Präsident haben Credit Suisse besonders im vergangenen Jahr in Verruf gebracht. Scheint ein direkter Dialog mit der Bank sinnlos?
Actares vertritt Anlegerinnen und Anleger, analysiert SMI-Unternehmen und gibt Abstimmungsempfehlungen im Hinblick auf die Generalversammlungen ab oder vertritt Stimmrechte für alle SPI-Unternehmen, wenn jemand nicht selbst abstimmen möchte. Auch tritt
Actares mit ausgewählten SMI-Konzernen in den direkten Dialog mit hochrangigen Konzernvertreterinnen und -vertretern. So auch Anfang 2022 mit einer Delegation von Credit Suisse. Es bot sich zweimal die Gelegenheit dafür: einmal am Paradeplatz, einmal in Form eines Video-Meetings. Natürlich hatte Actares unzählige Fragen an Credit Suisse – und vor allem viel Kritik im Gepäck.
Das erste Treffen fand zwei Tage vor der überraschenden Absetzung des Verwaltungsratspräsidenten statt – ohne dass wir davon gewusst hätten, versteht sich. Wir stellten damals noch die rhetorische Frage, welche dicke Post als Nächstes zu erwarten sei, nachdem Öffentlichkeit und Anlegerschaft im Jahr 2021 von den Skandalen um Greensill und Archegos sowie dem faktischen Schuldeingeständnis im Fall Mosambik hatten erfahren müssen. Natürlich erhielten wir darauf keine zufriedenstellende Antwort. Nur so viel: Man hoffe, dass endlich Ruhe einkehre. Keine drei Tage später folgte die dicke Post: die sofortige Trennung vom Präsidenten, der neun Monate zuvor einen omnipotenten Kultur- und Strategiewechsel angekündigt hatte – und sich, wie wir wissen, selbst darum foutierte.
Der neue Kapitän an Bord des Tankers Credit Suisse, Axel Lehmann, verspricht wie sein Vorgänger Besserung und dass die neue Strategie nun umgesetzt werde. Einmal mehr musste Actares sich auf den Standpunkt stellen: Warten wirs ab und hoffen wir, dass endlich die Lehren aus den unzähligen Fehlern und dem daraus resultierenden Reputationsschaden gezogen werden.
Actares-intern kam die Frage auf, ob es noch legitim sei und Sinn mache, den Dialog weiterzupflegen mit einem Unternehmen, das so oft am Rande der Illegalität wirtschaftete, oder ob nicht sogar die Reputation von Actares Schaden nehme, wenn weiterhin die Nähe zu Credit Suisse gesucht werde. Immerhin ist Actares für seriöse Arbeit und eine hohe Glaubwürdigkeit bekannt.
Als Actares-Mitglied haben Sie sich vielleicht auch überlegt, die Aktien, deren Wert in den vergangenen fünf Jahren um über 55 Prozent gesunken ist, abzustossen. Für eine bessere Einordnung hat Actares die Einschätzung von Dorothea Baur eingeholt. Sie ist unabhängige Beraterin für Ethik mit Schwerpunkt Finanz- und Technologiesektor. Ihre Antwort lautet: Nur wenn es zum Äussersten kommt.
Es gebe Unternehmen, in die man a priori nicht investieren solle, gibt sie zu bedenken. Dies seien etwa Produzenten von Waffen, Rüstungsgütern oder suchtfördernden Mitteln wie Tabak. Eine Bank gehöre nicht direkt in diesen Sektor. Da sie aber – wie bekannt ist – problematische Geschäftsfelder (mit-)finanziere, brauche es eine klare Vision, was man mit einem Engagement erreichen wolle. Actares hat diese klaren Vorstellungen 2014 in einer Charta festgehalten: die Ausrichtung der Aktiengesellschaften auf eine nachhaltige Entwicklung im sozialen, ökologischen und wirtschaftlichen Bereich sowie auf Basis der Menschenrechte. In der Präambel der Actares-Statuten steht zudem die Aufforderung zur Transparenz, sodass obige Ziele bestmöglich verfolgt werden können.
Den Kontakt abzubrechen oder zu desinvestieren, sollte die letzte Eskalationsstufe sein, meint Baur. Also rät sie zum jetzigen Zeitpunkt davon ab, gelobe die Grossbank doch Besserung. Doch verstehe sie, dass man als Anlegervertreterin nicht tatenlos bleiben könne. «Bei Credit Suisse verquicken sich schlechte Geschäftsführung mit einer desaströsen Unternehmenskultur», stellt sie fest. Anders gesagt, Credit Suisse tätigte in jüngster Vergangenheit nicht nur katastrophale Fehlinvestitionen in undurchsichtige Beteiligungen, sondern verriet die eigene Firmenkultur, mit dem Verwaltungsratspräsidenten an oberster Stelle, der die Aufgabe gehabt hätte, das Risikomanagement in den Griff zu bekommen.
«Gerade wegen dieser Fehltritte wäre ein Abbruch nicht empfehlenswert», sagt Baur. Ein klarer Katalog mit einer Frist, welche Anliegen aus Actares-Sicht erfüllt werden müssten, sei zielführender. Dies bedinge aber, dass bei Nichterfüllung die Konsequenzen – etwa ein angekündigter Abbruch des Dialogs – gezogen werden müssten.
Einen Reputationsschaden für Actares sehe sie nicht, wenn die Organisation sich dazu bekenne, den Dialog vorderhand aufrechtzuerhalten. Schliesslich stehe Actares für den konstruktiven Austausch.
Für Thomas Kesselring, langjähriges Actares-Mitglied, Hochschulprofessor, Autor und profunder Kenner der Mosambik-Kreditaffäre, in deren Verlauf Credit Suisse im Rahmen eines Vergleichs zur Zahlung von 500 Millionen Franken verknurrt wurde, liegt das Problem bei der schlechten Kultur der Grossbank. Diese habe der ehemalige Präsident Urs Rohner zu verantworten. Kesselring spricht von einer Kultur des Wegschauens, wo Missstände waren. Eigentlich habe Credit Suisse die Chancen auf einen Dialog verspielt, sagt er. Ein Kontakt mache nach allem, was passiert sei, wenig Sinn. «Actares sollte dem neuen Chairman aber eine letzte Chance geben», sagt er. «Gelingt es diesem nicht, in absehbarer Zeit einen Kulturwandel herbeizuführen – und dazu gehören endlich eine glaubwürdige Compliance und ein Risikomanagement, das sowohl die geschäftlichen Risiken als auch eine glaubhafte Klimastrategie und die sozialen Aspekte beinhaltet –, dann sollte eine Organisation wie Actares den Entscheid zum Kontaktabbruch fällen und dies öffentlich machen.»
Credit Suisse hat in einem Schreiben den Ernst der Lage zumindest anerkannt. Der neue Präsident Axel Lehmann wolle sich «in den kommenden Monaten um den Austausch mit seinen Aktionärinnen und Aktionären bemühen»; dies habe für ihn hohe Priorität, wie es weiter heisst. Und einmal mehr werden grosse Worte bemüht: «Die Einbindung der Aktionäre steht ganz oben auf der Agenda des Vorsitzenden, und er ist entschlossen, den Austausch in den kommenden Monaten fortzusetzen. Wir sind dabei, eine Bank wiederaufzubauen, auf die wir alle stolz sein können, mit dem klaren Ziel, nachhaltiges Wachstum und Wert für unsere Aktionäre zu schaffen. Uns ist klar, dass wir hart arbeiten müssen, um das Vertrauen aller unserer Interessengruppen zu erhalten.»
Dass sich Credit Suisse mehrfach über legale Grenzen hinweggesetzt hat und wir möglicherweise nicht vom letzten Finanzskandal am Paradeplatz gehört haben, ist zwar mehr als empörend. Der Bank aber gezielte kriminelle Geschäftsmodelle zu unterstellen, dafür fehlen die Belege. Wie bereits öffentlich diskutiert, ist ihr definitiv das Risikomanagement – notabene von zu teuer bezahlten Topmanagern – in untragbarer Weise entglitten. Der Laden muss schnellstmöglich aufgeräumt werden, dessen ist sich die Führung nun bewusst. Actares erwartet, dass dies transparent erfolgt, sodass die Bank ein gewisses Mass an Glaubwürdigkeit zurückgewinnen kann. Die Frage bleibt: Wie lange wird es dauern, bis auf Worte – die oft genug wiederholt wurden – endlich Taten folgen?
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