Soziale Verantwortung der Unternehmen: genügen karitative Aktionen?
Bei der Lektüre von Sozialberichten oder von Berichten zur Nachhaltigkeit entsteht oft der Eindruck, diese Texte seien vor allem für die nordamerikanische Leserschaft formuliert worden. Die karitative Hilfe steht im Vordergrund, denn dort ist Sozialhilfe Aufgabe von Privaten und Firmen. Die Aktionärinnen und Aktionäre wollen über die Verwendung dieser Gelder informiert sein, da diese den Gewinn schmälern, was sich auf die Dividenden auswirkt.
Natürlich werden wir die Unternehmen nicht um Berichte bitten, welche je nach Sensibilität des jeweiligen Kontinents verschieden gefärbt sind. Soziale, das heisst gesellschaftliche Verantwortung beinhaltet für ACTARES jedoch zunächst die Beziehungen zum Personal, zur Kundschaft, zu den Aktionärinnen und Aktionären, zu den Lieferfirmen, zum Staat. Karitative Aktionen sollten unserer Meinung nach nicht im Vordergrund stehen, wenn kein Bezug besteht zur Produktion von Gütern und Dienstleistungen des Unternehmens. Leider ist dies oft nicht der Fall, wie folgende Beispiele zeigen:
Kuoni berichtet von einem Unterstützungsprojekt für Waisen, nicht aber über Massnahmen zur Eindämmung des Sextourismus.
Holcim präsentiert auf seiner Internetseite eine ganze Reihe von Projekten in Brasilien, aber nichts über Massnahmen zu Gunsten von ehemaligen Mitarbeitenden, welche durch den Umgang mit Asbest erkrankt sind.
Novartis präsentiert ein Hilfsprojekt für Betagte in den USA, damit diese günstiger Medikamente beziehen können; gleichzeitig bringt Novartis ein teures neues Medikament auf den Markt, das sich einzig durch den Namen von einem identischen älteren Medikament unterscheidet, das günstiger zu haben ist. Solche Praktiken tragen bei zur Kostenexplosion im Gesundheitswesen.
Für unseren Verein bedeutet Soziale Verantwortung der Unternehmen, dass sie sich der Auswirkungen ihrer Tätigkeit auf Mensch, Gesellschaft und Umwelt bewusst sind und dass sie auf eine nachprüfbare Art regelmässig darüber berichten (s. Kästchen). Aus der Vermischung von gesellschaftlicher Verantwortung der Unternehmen mit karitativen Aktionen ergeben sich manchmal auch ethische Fragen: Eine Firma unterstreicht z. B. im Bericht zur Nachhaltigkeit, dass karitative Tätigkeit die Identifikation von Mitarbeitenden und Aktionariat mit der Firma und die Akzeptanz beim breiten Publikum fördere. Ist es zulässig, die Not der anderen zur eigenen Profilierung zu benützen? Ein anderes Unternehmen spornt sein Personal an, sich bei wohltätigen Aktivitäten ausserhalb des Unternehmens einzusetzen, was bei der jährlichen Personalqualifikation als Plus gewertet wird. Einerseits eröffnet der gemeinnützige Dienst am Nächsten zusätzliche Aufstiegschancen, andererseits werden jene diskriminiert, die,zwischen Berufs- und Familienpflichten hin- und hergerissen, mehr Zeit der Familie widmen möchten. Besonders Frauen, bei welchen zukünftige Schwangerschaften oder Familienpflichten oft hinderlich sind für eine Anstellung, werden durch dieses System zusätzlich diskriminiert.
Wer garantiert ausserdem, dass das Unternehmen objektiv bleibt und das Engagement im Fussballklub gleich bewertet, wie dasjenige in einer linksgerichteten Partei oder in einer Gewerkschaft? Besteht nicht zusätzlich das Risiko der Vermarktung von menschlichen Beziehungen und sozialen Bindungen? Die Aufgabe der Unternehmen ist Güter und Dienstleistungen anzubieten. Die Soziale Verantwortung der Unternehmen muss einschliessen, dass diese Produkte von guter Qualität sind und dass keine am Produktionsprozess Beteiligten benachteiligt werden. Projekte im Bereich der Gemeinnützigkeit können deshalb nur Zugaben zur Sozialen Verantwortung der Unternehmen sein.
Für ACTARES bedeutet Soziale Verantwortung der Unternehmen, "sich der Konsequenzen der Tätigkeit der Aktiengesellschaften auf Mensch, Gesellschaft und Umwelt bewusst zu sein" (Art. 1 der Charta von ACTARES), dies vor allem dadurch, "dass die Unternehmen loyale und gerechte Beziehungen zu allen Anspruchsgruppen unterhalten: zu Aktionärinnen und Aktionären, anderen Kapitalgebern, Mitarbeitenden, Gewerkschaften, Lieferfirmen, Kundinnen und Kunden, Konkurrenten, öffentlichen Institutionen und zu allen andern Personen und Gemeinschaften, die von der Tätigkeit des Unternehmens betroffen sind." (Auszug aus der Präambel der Statutenvon ACTARES). Für ihre Aktivitäten brauchen die Unternehmen Mitarbeitende und Lieferfirmen, Aktienkapital und Kredite, und sie profitieren von der Infrastruktur, die der Staat zur Verfügung stellt.Über alle diese Punkte müssten sie eigentlich informieren. In vielen Berichten zur Nachhaltigkeit ist davon aber wenig zu finden. Hingegen stösst man auf eine Menge von Informationen zu Initiativen im karitativen Bereich. Diese haben aber meist keinen direkten Bezug zur Tätigkeit der Firmen. ACTARES hat nichts gegen karitatives Engagement, aber viel wichtiger ist ein verantwortungsvoller Umgang mit den direkten Auswirkungen der Unternehmenstätigkeit. Darüber möchte ACTARES mit ihnen reden, davon sollen sie berichten.